Erweiterte DNA-Analysen als technologische Innovation in der polizeilichen Ermittlungsarbeit werden in Deutschland nicht erst seit Dezember 2016 diskutiert. Innerhalb der forensischen Wissenschaft wird schon länger an der Vorhersage von äußeren Merkmalen sowie der sogenannten „biogeografischen Herkunft“ potenzieller Verdächtigen anhand von Tatort-DNA-Spuren geforscht. Vereinzelt wurde auch in Medienbeiträgen eine Einführung der Technologie in Deutschland thematisiert, und verstärkt in den Jahren 2007-2009 während der Ermittlungen zum Heilbronner Polizistinnenmord. Doch die Beobachtung und Analyse der öffentlichen Debatte durch Mitglieder unserer Initiative zeigen, dass zwei Mordfälle im Raum Freiburg im Herbst 2016 zum Anlass für eine verstärkte öffentliche Thematisierung der Technologien wurden: Die beiden Sexualmorde an Maria L. und Caroline G.

Bereits im November 2016 wurden in der Region Freiburg Forderungen nach der gesetzlichen Einführung erweiterter DNA-Analysen in der Verbrechensaufklärung laut. Lanciert von politischen Gruppierungen, Parteien, Medien und Einzelpersonen am rechten Rand wurden diese Forderungen von Beginn an eng mit der Migrationsdebatte verknüpft; auch ausländerfeindliche Strömungen durchzogen diesen Diskurs.
Die Forderungen nach erweiterten DNA-Analysen wurden zeitnah auch von der Freiburger Polizei und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) aufgegriffen sowie von der Badischen Zeitung in einem Leitartikel vertreten.

Unmittelbar nach der Festnahme des Tatverdächtigen im Mordfall Maria L., verstärkte die Freiburger Polizei am 3.12.2016 ihre Forderung und erhielt dabei prominente Unterstützung aus Polizeikreisen und Politik. Am selben Tag noch setzten sich in Baden-Württemberg Justizminister Guido Wolf und Innenminister Thomas Strobl (beide CDU) für eine zügige Änderung der Strafprozessordnung ein, um erweiterter DNA-Analysen in der Verbrechensermittlung zu ermöglichen.

Alle Fraktionen des Stuttgarter Landtags begrüßten am 5.12.2016 im Grundsatz den Vorstoß,die rechtlichen Möglichkeiten der DNA-Analyse an die technischen“ anzupassen. Am 6. Dezember erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas, dass er den Forderungen offen gegenüberstehe.

Einen Tag nach Weihnachten, am 27.12.2016, legte Justizminister Guido Wolf bereits einen konkreten Änderungsvorschlag für § 81 der Strafprozessordnung für die Ausweitung der Nutzung von DNA-Spuren vor. Am 1.2.2017 einigte sich die Grün-Schwarze Landesregierung in Stuttgart auf einen gemeinsamen Vorschlag für eine Erweiterung der DNA-Analysen bei Kapitalverbrechen, der bei der nächsten Sitzung des Bundesrates am 10. Februar eingebracht werden sollte. In Zukunft sollte auch die Feststellung von Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie dem biologischen Alter einer Person zulässig sein.

Gegen die von Justizminister Wolf (CDU) geforderte Feststellung der sogenannten „bio-geographischen Herkunft“ hatten die GRÜNEN Bedenken angemeldet: „Bei diesem Punkt sehen wir verfassungsrechtliche Probleme. Das wäre ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte, weil ganze Gruppen unter Generalverdacht gestellt würden,“ so der Grünen-Rechtsexperte Jürgen Filius.

Im Folgenden dokumentieren wir auf der Basis ausgewählter Artikel den Verlauf der Debatte. Für eine ausführliche Analyse der medialen Debatte siehe Sarah Weitz & Nicholas Buchanan, Eine Technologie der Angstkultur und Veronika Lipphardt, Vertane Chancen.

16.10.2016

Maria L., eine Medizinstudentin der Universität Freiburg, wird ermordet aufgefunden.

10.11.2016

Die ursprünglich linke Polit-Sekte Bund gegen Anpassung, die inzwischen rechtsradikale und rassistische Positionen vertritt, verteilt an mehrere 1000 Haushalte in Freiburg ein vierseitiges Flugblatt, mit dem Titel „Deckt die Justiz den Dreisam-Mörder wegen seiner Rasse?“ Darin heißt es:

„[E]s sprach und spricht nun einmal viel dafür, dass der Täter ein Pseudo-Flüchtling war. (…) Nichts ist so leicht durch DNA zu ermitteln, wie die Rasse. (…) Nichts wäre in unserem Fall leichter, und man bräuchte viele Unschuldige nicht zu belästigen, wenn man die Rasse des Täters ermittelt. Es drängt sich daher der Verdacht auf, daß dieser seiner Rasse wegen grundgesetzwidrig bevorzugt werden, d.h. straflos bleiben soll.“

Carolin G., die 5 Tage vermisst war, wird bei Endingen ermordet aufgefunden. Mehr zum Fall Endingen.

16.11.2016

Politische Korrektheit kann tödlich sein“ ist ein Kommentar der Jungen Freiheit zu den Morden in Freiburg und Endingen überschrieben. Darin wird argumentiert: „Die Polizei hat eine Spur. Sie konnte eine DNS sichern. Doch bei der Fahndung sind ihr die Hände gebunden. Es wäre möglich, den Täterkreis einzugrenzen, durch eine Untersuchung der DNS auf Herkunft, Haarfarbe, Augenfarbe und Größe. Aber das ist nicht erlaubt. Aus falsch verstandener politischer Korrektheit.“

Auch die FAZ kritisiert im Zusammenhang mit den beiden Morden: „Durch eine eng gefasste Regelung in der Strafprozessordnung (Paragraph 81g) ist die Verwertung von DNA-Spuren stark eingeschränkt – so dürfen Rückschlüsse auf eine ethnische Zugehörigkeit der Täter nicht gezogen werden. Wäre das möglich, könnte man den Täterkreis besser eingrenzen und andererseits auch mögliche voreilige Verdächtigungen gegen arabischstämmige Flüchtlinge ausräumen.“

17.11.2016

Nachdem die Badische Zeitung regelmäßig über die Ermittlungsansätze in den beiden Mordfällen berichtet hat, erscheint am 17.11. unter dem Titel: „Der einzige Zeuge. Zwei junge Frauen kamen gewaltsam ums Leben / Was leistet die DNA-Analyse bei der Aufklärung der Taten – und was könnte sie leisten, wenn sie dürfte?“ (Titel in der Online-Ausgabe: „Nach den Sexualmorden – was eine DNA-Analyse kann und was sie darf“) ein ausführlicher Bericht auf Seite Drei. Darin wird erstmals von Polizeivertretern und Rechtsmedizinern eine Änderung des § 81e gefordert, um „phänotypische Merkmale“ sowie die „geographische Abstammung“ von Straftätern zu ermitteln.

18.11.2016

Am Tag darauf erscheint in der Badischen Zeitung ein Leitartikel von Karl Heidegger mit dem Titel „Ein Gesetz, das Mörder schützt“. Darin fordert er:

„Nun könnte die DNA aber auch schon heute tiefere Erkenntnisse liefern. Bei unseren niederländischen und französischen Nachbarn würde analysiert werden, aus welcher Weltregion der mutmaßliche Täter stammt, welche Augen- und Haarfarbe er hat. Das können Wissenschaftler anhand des Erbgutes feststellen. Nur: In Deutschland dürfen sie es nicht. (…) Wenn die DNA auf afrikanische oder asiatische Wurzeln hindeuten würde? Simpel gesagt: Dann wäre das halt so. (…)  Die Angst, dass ein Ermittlungsstand rassistische Ressentiments schüren könnte, darf die Polizei nicht ausbremsen. (…) Es geht um die Aufklärung von Kapitalverbrechen. Wenn die Wissenschaft dabei helfen kann, dann sollte das legitim sein. Eine Gesetzesänderung, die eine Nutzung erweiterter DNA-Analysen bei Schwerstkriminalität möglich macht, ist überfällig. Ein humanistisches Menschenbild darf nicht dafür sorgen, dass der Pragmatismus auf der Strecke bleibt und ein Gesetz die Mörder schützt.“

23.11.2016

Auf Openpetition wird eine Online-Petition Änderung § 81 e StPO Absatz 1 für die Aufklärung von Mordfällen von Emanuel Pascal Schreier aus Lörrach initiiert, die bald mehrere Tausend Unterstützer zählt. Die Badische Zeitung berichtet darüber am 2.12, das MDR-Boulevard-Magazin Brisant am 6.12. Die Auswertung der Unterstützerdaten auf der Petitionswebsite zeigt, dass die meisten UnterzeichnerInnen über die Badische Zeitung, den MDR und den Bund gegen Anpassung kommen.

25.11.2016

Die Junge Freiheit titelt: „Tödliche Korrektheit. Verbotene DNA-Analysen: Wie ein fragwürdiger Strafrechtsparagraph verhindert, dass die Polizei Mörder schneller fassen kann“. In einem Kommentar von Michael Paulwitz in derselben Ausgabe heißt es:

„Ist der Mörder gar unter den hunderttausendfach illegal ins Land gelassenen afrikanisch-orientalischen jungen Männern zu suchen oder kommt er aus der Nachbarschaft der Opfer? Eine DNS-Spur im Fall der bereits Mitte Oktober getöteten Studentin, die mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Täter stammt, könnte Klarheit bringen. Technisch wäre es längst möglich, aus dem genetischen Fingerabdruck eines mutmaßlichen Täters konkrete Hinweise auf Körpermerkmale und ethnische Abstammung zu gewinnen, die eine Fahndung wesentlich beschleunigen könnten. (…) Politische Korrektheit kann töten – die verpassten Chancen im Fall Freiburg sind dafür nur ein besonders krasses Beispiel. Die panische Furcht, die Persönlichkeitsrechte eines mutmaßlichen Täters verletzen oder „Vorurteile“ gegenüber vermeintlich „diskriminierten Minderheiten“ schüren zu können, liegt wie lähmender Mehltau über dem medialen, politischen und behördlichen Umgang mit gestiegener Kriminalitätsbedrohung und schwindender öffentlicher Sicherheit.“

Das Thema wird auch im Rahmen einer Video-Reportage der Jungen Freiheit bearbeitet. Darin wird behauptet: „Nicht erlaubt nach §81 StGB [sic! gemeint ist hier offensichtlich §81g StPO] , aber technisch machbar [ist]: Ermitteln der Haarfarbe (…), der Augenfarbe (…), der Hautfarbe (Ethnie) (…), des ungefähr Alters, Erstellen eines Phantombildes eines Tatverdächtigen“ (4:11 min). Im Anschluss an diese (wissenschaftlich falsche) Behauptung kommt Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu Wort: „Der Datenschutz ist schon wirklich ein sehr seltsames Argument, denn gerade bei den Massen-DNA-Analysen müssen wir in die Grundrechte vieler, manchmal tausender Menschen eingreifen, um den Täterkreis einzudämmen. Es ist völlig absurd. (…) Man müsste das genehmigen und das Gesetz entsprechend anpassen.“ Diese Methoden dienten vor allem „der Entlastung“ weiter Kreise. „[D]er Staat [darf] sich nicht künstlich dumm machen, sondern muss die Möglichkeiten nutzen, die er hat“. Momentan gäbe es, so Wendt, eine „pseudoliberale Gesetzgebung“ (…). Es wäre wünschenswert, dass man die modernen Möglichkeiten auch der Gesetzgebung anpasst [sic!] und die Verbrechensbekämpfung und die Ermittlung von Tätern erleichtert“. Zu Wort kommt auch die Polizeisprecherin Freiburgs mit der Aussage: „Rein theoretisch ist natürlich auch noch mehr ablesbar aus diesen DNA-Spuren, aber wir halten uns natürlich an geltendes Recht“.

02.12.2016

Verhaftung eines Tatverdächtigen im Mordfall Maria.

03.12.2016

Pressekonferenz der Kripo Freiburg zur Verhaftung des Tatverdächtigen. Es handelt sich um einen 17jährigen Flüchtling aus Afghanistan.

Die Baden-Württembergischen Minister Wolf (Justiz) und Strobl (Innen) nehmen den Ermittlungserfolg der Freiburger Kripo zum Anlass, um erweiterte DNA-Analysen zu fordern. Wolf hat seinen Referenten bereits zwei Wochen zuvor einen Prüfauftrag für die mögliche Ausdehnung der rechtlich zulässigen Untersuchungen auf weitere Merkmale erteilt, dessen erste Zwischenergebnisse „ermutigend“ ausfielen. Er kündigt an, das Thema als Tagesordnungspunkt für die nächste Justizministerkonferenz anzumelden.

04.12.2016

Der Kreisverband der Freiburger AfD ruft zu einer spontanen Kundgebung gegen „Merkels Willkommenspolitik“ auf. Auf dem Münsterplatz stehen nachmittags ca. 30 AfD-Demonstranten mehr als 300 Gegendemonstranten gegenüber.

05.12.2016

Die Ergreifung des Täters im Mordfall Maria nutzt Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, in der Bild-Zeitung zu folgender Stellungnahme: „Dieses und viele andere Opfer würde es nicht geben, wäre unser Land auf die Gefahren vorbereitet gewesen, die mit massenhafter Zuwanderung immer verbunden sind. Und während Angehörige trauern und Opfer unsägliches Leid erfahren, schweigen die Vertreter der ‚Willkommenskultur‘. Kein Wort des Mitgefühls, nirgends Selbstzweifel, nur arrogantes Beharren auf der eigenen edlen Gesinnung. Die grausame Seite dieser Politik wird abgewälzt auf die Opfer und auf eine seit Jahren kaputt gesparte Polizei und Justiz. Und so wachsen die Gefahren für unser Land beständig.“
Kritik kommt u.a. von Oliver Malchow, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizisten.

Alle Fraktionen im Stuttgarter Landtag sprechen sich für erweiterte DNA-Analysen aus.

Die Studenteninitiative Weitblick und die Facebook-Initiative „Flüchtlingshilfe Freiburg“, bei denen Maria Mitglied war, schließen ihre Accounts wegen rechter Hetze und Morddrohungen. Auch andere Migranten- und Flüchtlingsinitiativen der Stadt sind davon betroffen. OB Dieter Salomon erhält über 350 Hassmails, z.T. mit Morddrohungen. Die Badische Zeitung gibt bekannt, dass auf ihrer Facebook-Seite seit Bekanntgabe der Verhaftung des Tatverdächtigen Hussein K. Tausende von rassistischen Hassmails registriert wurden.

06.12.2016

Freiburgs Polizeipräsident Bernhard Rotzinger fordert erweiterte DNA-Analysen: „Bei der Tätersuche im Fall Maria hätte uns das massiv geholfen. Wir hätten wesentlich konzentrierter die Ermittlungen vorantreiben können. (…) Mit einem solchen ‚Phantombild‘ aus dem Labor hätte man viele Verdachtsfälle von vorn herein zur Seite legen können.“

07.12.2016

Sebastian Wippel, innenpolitischer Sprecher der AfD im sächsischen Landtag, fordert erweiterte DNA-Analysen.

08.12.2016

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff äußert verhaltene Bedenken, der amtierende Baden-Württembergische Datenschutzbeauftragter Broo Zustimmung. Clemens Binniger (CDU), Baden-Württembergischer Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender des NSU-Ausschusses und ehemaliger Polizeibeamter spricht sich für erweiterte DNA-Analysen aus.

09.12.2016

Auch der Stuttgarter LKA-Chef Ralf Michelfelder fordert erweiterte DNA-Analysen: „Die DNA ist ein stummer Zeuge – ein Zeuge wie jeder andere auch.“

11.12.2016

In einem Interview mit der Freiburger Ausgabe des SONNTAG äußert sich der Leiter der Kriminialpolizeidirektion Freiburg, Peter Egetemaier in Bezug auf erweiterte DNA-Analysen: „Ich kann nicht verstehen, warum wir als Ermittler in Deutschland eine schlechtere Ausgangslage haben als in anderen europäischen Ländern. Deshalb begrüße ich, dass der Fall eine solche Diskussion auslöst.“

13.12.2016

Der STERN berichtet, dass der mutmaßliche Mörder von Maria M. bereits 2013 in Griechenland eine junge Frau vergewaltigt und getötet habe. 2014 verurteilt zu 10 Jahren Haft wegen versuchten Mordes, wurde er allerdings bereits 2015 auf Bewährung freigelassen und setzte sich nach Deutschland ab. Bei einem europaweiten Abgleich der Täter-DNA im Freiburger Mordfall hatte sich laut Freiburger Polizei allerdings kein Eintrag in einem anderen Land ergeben, weil Griechenland der gemeinsamen DNA-Datenbank von Europol bisher nicht angeschlossen ist und zudem die zuständige Polizeidienststelle in Korfu bei der erkenntnisdienstlichen Erfassung des Täters damals nur Fingerabdrücke und keine DNA genommen habe.

14.12.2016

Die Gemeinsame Spurenkommission, das wissenschaftliche Gremium der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute in Deutschland, befürwortet die Ausweitung von DNA-Analysen ebenfalls.
Stellungnahme „Möglichkeiten und Grenzen der DNA-gestützten Vorhersage äußerer Körpermerkmale, der biogeographischen Herkunft und des Alters unbekannter Personen anhand von Tatortspuren im Rahmen polizeilicher Ermittlungen”

Die rechte Hetze gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsorganisationen in Freiburg geht weiter.

21.12.2016

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry fordert die Ausweitung von DNA-Analyse auf die „Ethnie eines Straftäters“.

25.12.2016

Die Freiburger Ausgabe von DER SONNTAG weist auf unseren Offenen Brief hin und geht dabei ausführlich auf unsere Kritikpunkte ein.
Der Aufmacher der Ausgabe thematisiert die unvermindert anhaltenden rechtsgerichteten Angriffe und Drohungen gegenüber Freiburgs OB Dieter Salomon, Erzbischof Stefan Burger und anderen engagierten FreiburgerInnen. Werden Hassmails an die Polizei weitergeleitet, so einer der Betroffenen, winke diese jedoch ab – die „Mails seien exakt so verfasst worden, dass die Staatsanwaltschaft so gerademal nicht tätig werden könnte. Es seien Profis gewesen, hat die Polizei gesagt.“ Polizeipräsident Bernhard Rotzinger stellt diesbezüglich fest:  „Wir sind bisher sehr liberal und großzügig gewesen, was die freie Meinungsäußerung angeht, und das ist richtig so, doch ich denke, dass wir bei Hass-Mails zunehmend mit strafrechtlichen Sanktionen ranmüssen.“ S.1.

28.12.2016

Justizminister Guido Wolf legt wie angekündigt einen Vorschlag zur Änderung von § 81e StPO vor. Dieser lautet: „Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen auch Feststellungen über das Geschlecht, die Augen-, Haar- und Hautfarbe, das biologische Alter sowie die biogeographische Herkunft der Person getroffen werden. „Das Kriminaltechnische Institut des LKA in Stuttgart bestätigt, dass in Bezug auf die Herkunft „belastbare regionalspezifische, jedenfalls aber kontinentalspezifische Zuordnungen getroffen werden.“ Wolf bittet sowohl Bundesjustizminister Heiko Maas als auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann um Unterstützung seiner Initiative. Mögliche verfassungsrechtliche Bedenken weist Wolf laut Badischer Zeitung ab: „Schließlich handele es sich bei Augen-, Haar- und Hautfarbe, Alter und biogeographischer Zuordnung ausschließlich um unmittelbar wahrnehmbare, körperliche Merkmale, die bereits durch Lichtbilder und Zeugenaussagen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen erhoben werden.“ Mit seinen Plänen, so die Badische Zeitung weiter, renne „Wolf bei Ermittlern offene Türen ein.“ Als Befürworter werden einmal mehr Freiburgs Polizeipräsident Rotzinger und der Landesvorsitzende des BdK, Manfred Klumpp, benannt. Als Kritiker werden Jan Korte, MdB (Linke) und die Antonio Amadeo-Stiftung angeführt.

01.01.2017

Die Wochenendzeitschrift DER SONNTAG veröffentlicht unter dem Titel: „‘Staat muss Zähne zeigen.‘ Freiburger Polizeipräsident Bernhard Rotzinger über Polizeiarbeit in ZEITEN DER ANGST“ [Blockbuchstaben und Farbe i.O.], ein ausführliches Interview mit diesem. Auch die Forderung nach erweiterten DNA-Analysen wird dort wieder aufgegriffen.

DER SONNTAG: „Man kann kaum glauben, dass Sie bisher darauf verzichten, etwa die Hautfarbe zu erheben, wenn es möglich ist…“

ROTZINGER (lacht): „Da würde der Kollege im Labor nicht mitmachen, weil er sonst seinen Job verliert. In manchen Bereichen müssen wir bildlich gesprochen mit der Fußfessel Verbrecher jagen, unsere Ermittler raufen sich manchmal die Haare. Doch diese Beschränkungen sind Teil des Rechtsstaats, den wir verteidigen. Ich kann mir vorstellen, dass die Entnahme einer DNA-Probe künftig neben den Fingerabdrücken generell zur erkennungsdienstlichen Behandlung gehören wird.“

04.01.2017

Im Neujahrsinterview berichtet Freiburgs OB Dieter Salomon davon, allein in der Woche nach den Interviews zum Mordfall Maria Anfang Dezember rund 300 Hassmails bekommen zu haben: „Das waren sehr persönliche Beleidigungen, Gewaltfantasien bis hin zu konkreten Morddrohungen.“ Freiburger Wochenbericht, 4.1.2017, S. 2.

10.01.2017

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (B90/GRÜNE) teilt mit, dass er die Initiative von Justizminister Wolf unterstütze und erweiterten DNA-Analysen „im Prinzip offen“ gegenüberstehe, auch wenn „Details noch besprochen werden müssten.“

22.01.2017

Die Baden-Württembergische CDU fordert in der Schöntäler Erklärung anlässlich ihrer jährlichen Klausurtagung:

„Im Sinne einer raschen und gründlichen Strafverfolgung ist die Zulassung einer erweiterten DNA-Analyse zwingend notwendig. Die derzeitige Regelung zur Nutzung von Erkenntnissen aus der DNA-Analyse bedarf einer sachgerechten Erweiterung. Bislang darf maximal das Geschlecht des Täters aus der Probe hergeleitet werden. Wie in den Niederlanden und Frankreich praktiziert, muss es auch in Deutschland möglich sein, die Ergebnisse der DNA-Analyse hinsichtlich weiterer Merkmale, wie etwa Haar- und Augenfarbe sowie ethnischer Herkunft zu nutzen.“

01.02.2017

Die Grün-Schwarze Landesregierung in Stuttgart hat sich auf einen gemeinsamen Vorschlag für eine Erweiterung der DNA-Analyse bei Kapitalverbrechen geeinigt, der bei der nächsten Sitzung des Bundesrates am 10. Februar eingebracht werden soll. In der Badischen Zeitung heißt es dazu: „In Zukunft sollen Fahnder Spurenmaterial nicht mehr allein zur Bestimmung von Identität und Geschlecht verwenden dürfen, sondern auch zur Feststellung von Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie dem biologischen Alter einer Person. Justizminister Guido Wolf (CDU), auf den die Initiative zurückgeht, hatte die DNA-Analyse zunächst auch auf die „biogeografische Herkunft“ ausdehnen wollen, um herauszufinden, ob ein Verdächtiger etwa aus Europa, Afrika oder Ostasien stammt. Dagegen hatten die Grünen Bedenken angemeldet, eine ursprünglich für den Dienstag vorgesehene Kabinettsbefassung musste wegen eines sogenannten Fraktionsvorbehalts der Grünen vertagt werden. ‚Bei diesem Punkt sehen wir verfassungsrechtliche Probleme. Das wäre ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte, weil ganze Gruppen unter Generalverdacht gestellt würden‘, sagte der Grünen-Rechtsexperte Jürgen Filius.“

Im Februar brachten Baden-Württemberg und Bayern einen ersten Entwurf für eine entsprechende Änderung des §81e StPO ein. Die mediale Debatte endet damit mitnichten, auch wenn wir sie nicht detailliert weiter skizzieren. Für den weitern Verlauf der Debatte siehe unsere Zusammenstellung der Etappen der Gesetzesinitiativen.

zusammengestellt von Anna Lipphardt,  Stand 1.2.2017