Die Einführung von Erweiterten DNA-Analysen in Deutschland wird nicht erst seit 2016 diskutiert. Doch wie unsere Dokumentation der öffentlichen Debatte zeigt, waren zwei Mordfälle im Spätherbst 2016 der Anlass für eine verstärkte öffentliche Thematisierung der Technologieeinführung. Einer davon war der Sexualmord an Maria L. in Freiburg.

Vor allem zum Beginn der Debatte bezogen sich die BefürworterInnen einer Gesetzesänderung immer wieder auf diesen Mord als Präzedenzfall und behaupteten, dass Erweiterte DNA-Analysen zu einer schnelleren Aufklärung dieses Falls geführt hätten.

Der Freiburger Mord wurde nach nur sieben Wochen durch klassische Ermittlungsarbeit gelöst: Ein ungewöhnlich gefärbtes, langes Haar am Tatort lieferte Hinweise auf den Täter, der verhaftet und inzwischen verurteilt wurde. Erweiterte DNA-Analysen hätten in diesem Fall die entscheidenden Informationen nicht liefern können. Zumal Freiburg nicht zuletzt durch seine Grenzlage eine Bevölkerungsstruktur aufweist, bei der vermutlich auch ein Hinweis auf eine wahrscheinliche „biogeografische Herkunft“ des Täters wenig genutzt hätte. Inzwischen haben auch ExpertInnen Zweifel daran geäußert, dass eine Anwendung von Erweiterten DNA-Analysen in diesem Fall von Nutzen gewesen wäre. Der Genetiker Prof. Manfred Kayser, maßgeblicher Entwickler der Technologie, sagte beispielsweise der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Science, der Fall sei nicht geeignet gewesen, um mit ihm für eine Legalisierung der Technologie in Deutschland zu argumentieren.

Die Legalisierung von umstrittenen Technologien anlässlich von Präzedenzfällen ist keine Seltenheit. In den Niederlanden wurden Erweiterte DNA-Analysen in Ermittlungen beispielsweise zuerst nach dem Sexualmord an Marianne V. (1999) angewendet. Die AnwohnerInnen der näheren Umgebung verdächtigten die Bewohner eines nahegelegenen Asylbewerberheims; die Polizei konnte dort jedoch keinen Tatverdächtigen ermitteln. Ein Forensiker führte entgegen geltender Gesetze 2002 eine „biogeografische Herkunftsanalyse“ durch. Die Analyse ergab eine „europäische Herkunft“, was den Ermittlungen nicht zum Durchbruch verhelfen konnte. Damals leitete der Fall eine lebhafte öffentliche Debatte um Erweiterte DNA-Analysen ein, die 2003 zu einer Gesetzesänderung in den Niederlanden führte. Der Täter wurde erst 2012 im Rahmen einer DNA-Reihenuntersuchung gefunden.