Symposium: Erweiterte DNA-Analysen in der Forensik: Möglichkeiten, Herausforderungen, Risiken
9. – 10. Juni 2017 in Freiburg

1. Einführung
2. Programm
3. Fazit und Ausblick
4. Videopodcasts und Poster
4. Tagungsberichte
5. Förderer

 

1. Einführung

PDF-Version inkl. Programm u. Anreiseinformation

Der Einsatz erweiterter DNA-Analysen in der Forensik, insbesondere DNA-Phenotyping und die Bestimmung der sogenannten „biogeografischen Herkunft“, wird derzeit deutschlandweit diskutiert. Seit November 2016 haben euphorische Medien­berichte das öffentliche Stimmungsbild geprägt; darin erfuhr man viel über die Anwen­dungs­möglichkeiten und Chancen, aber kaum etwas über Risiken, Fehleranfälligkeiten und ethische Problematiken dieser Technologien. Erst seit neuestem mischen sich nachdenkliche bis kritische Stimmen in die Debatte ein (siehe „Medien“).

Im Ausland, wo diese Technologien bereits zum Einsatz kommen, setzen sich ForscherInnen bereits seit einiger Zeit intensiv und kritisch mit den Bedingungen und Folgen dieses Einsatzes auseinander. Sie haben zeigen können, dass es durchaus Missanwendungen dieser Technologien gab und geben kann, und versucht, Wege zur Vermeidung solcher Fehler aufzuzeigen. Damit haben sie schon viele Verbesserungen im Dialog mit ErmittlerInnen, JuristInnen und EntscheidungsträgerInnen anregen können. Zudem konnten sie in bestehenden Strukturen, als Mitglieder entsprechender Ethikgruppen, Boards und Entscheidungsgremien, unmittelbar mitentscheiden, wann und wie ein Einsatz sinnvollerweise getätigt werden sollte und wann (oder wie) nicht.

In Deutschland fehlt diese Forschungsrichtung derzeit noch, und auch von multidisziplinären Entscheidungs- und Regulierungsstrukturen ist man hierzulande noch weit entfernt. Als ExpertInnen zu diesem Thema wurden bisher ausschließlich NaturwissenschaftlerInnen, TechnikentwicklerInnen und ErmittlerInnen gehört. Eine ausgewogene, kritisch-konstruktive Debatte, eine umsichtige Regulierung der Technologien kann so nicht stattfinden.

Dieses Symposium möchte einen komplementären Beitrag zur Diskussion in Deutschland leisten: die öffentliche und wissenschaftliche Diskussion muss um die bisher außen vorgelassenen sozialwissenschaftlichen und ethi­schen Perspektiven bereichert werden, damit sich eine nachhaltige, umfassend informierte und faire Debatte auf Grundlage von interdisziplinärem Austausch entwickeln kann. Auch die wissenschaftlichen Schwachpunkte der Technologien und des baden-württembergischen Gesetzesantrags müssen unter Beteiligung der Fach­vertreterInnen ent­sprechender Disziplinen offen diskutiert werden. Nur so können unerwünschte und unerwartete Neben­wir­kun­gen einseitiger Gesetzesinitiativen identifiziert und vermieden werden.

Das Symposium wird am Freiburger Institute for Advanced Studies (FRIAS) stattfinden.

Für fachkundige Interessenten und Interessentinnen steht eine begrenzte Anzahl von Plätzen zur Verfügung; hierfür ist eine Anmeldung bis zum 25. Mai 2017 und die Entrichtung einer Tagungsgebühr von 30€ erforderlich (inkl. Kaffeepausen und Mittagsverpflegung). Die Tagungsgebühr ist zu Tagungsbeginn in bar zu entrichten. Die Benachrichtigung darüber, ob Ihre Anmeldung berücksichtigt werden kann, erhalten Sie am 29.05.2017.
Anmeldung per Email unter Angabe von Namen und Institution an: Dr. Barbara Sieferle, Universität Freiburg, OffenerBriefSTS@mail.uni-freiburg.de.

Für Journalistinnen und Journalisten, die daran teilnehmen möchten, ist eine Anmeldung bis zum 5. Juni 2017 per E-Mail an  erforderlich.

Organisatorinnen:

Prof. Dr. Anna Lipphardt, Kulturanthropologin, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Universität Freiburg

Prof. Dr. Veronika Lipphardt, Wissenschaftshistorikerin, Science and Technology Studies, University College Freiburg

 

2. Programm

Programm als PDF

Freitag, 09.06.2017
ab 10.00
Anmeldung und Kaffee

10.30-11.10
Begrüßung und Einführung

  • Begrüßung durch Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Kortmann, FRIAS
  • Thematische Einführung durch Prof. Dr. Veronika Lipphardt, University College, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

11.10-13.00
Wissenschaftliche Grundlagen der erweiterten DNA-Analysen: Aktueller Forschungsstand und offene Fragen

  • Prof. Dr. rer. nat. Lutz Roewer, Charité – Universitätsmedizin Berlin: Methoden zu Herkunftsanalyse in der forensischen Genetik
  • Prof. Dr. Joachim Burger, Universität Mainz: Populationsgenetische Grundlagen der genetischen Herkunftsbestimmung

Kommentar: Dr. Fabian Staubach, Universität Freiburg
Moderation: Prof. Dr. Veronika Lipphardt, University College, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

13.00-14.00 Mittagspause

14.00-15.50
Fachliche Ausbildung und praxisübergreifende Kommunikation: Standards und Herausforderungen

  • Prof. Dr. Peter Pfaffelhuber, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Wahrscheinlichkeiten und Herkunftsangaben: Fehlerquellen und Schnittstellen der Interpretation
  • RA, FAStr Thomas Bliwier, Hamburg: Das überschätzte Beweismittel – die Rolle von DNA Gutachten in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
  • EKHK a.D. Manfred Klumpp, Bund Deutscher Kriminalbeamter, LV Baden-Württemberg: Interpretation von DNA-Analysen: Standards in Ermittlungspraxis und polizeilicher Ausbildung 

Kommentar: N.N.
Moderation: Dr. des. Anne-Christine Mupepele, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

15.50-16.20 Kaffeepause

16.20-18.10
Gesellschaftliche Vielfalt als Herausforderung für Polizeiarbeit und Justizwesen

  • Dr. Daniela Hunold, Deutsche Hochschule für Polizei Münster: Polizeiarbeit in der multi-ethnischen Gesellschaft
  • Prof. Dr. Anna Lipphardt, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Lehren aus dem Fall des „Heilbronner Phantoms”
  • RA Sven Adam, Göttingen: Racial Profiling-Verfahren als Beispiel für die Auswirkungen der
    polizeilichen Bewertung von phänotypischen Merkmalen

Kommentar: Dr. Tino Plümecke, Universität Basel

19.00-20.30
Keynote: Prof. Dr. Amade M’charek, Universität Amsterdam:
DNA phenotyping: Between the individual suspect and the suspect population

ab 21 Uhr
Abendessen für ReferentInnen, KommentatorInnen und Roundtable-Teilnehmende im 
Restaurant Kaiser

Samstag, 10.06.2017
9.00-9.20
Eröffnung Posterpräsentation: Die öffentliche Debatte zu erweiterten DNA-Analysen

  • Dr. Nicholas Buchanan, Sarah Weitz, University College, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Moderation: Prof. Dr. Veronika Lipphardt, University College, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

9.20-11.10
Verfassungsrechtliche Positionen und Fragen des Datenschutzes

  • Prof. Dr. Carsten Momsen, Freie Universität Berlin: Erweiterte DNA-Analyse – Diskriminierungseffekte im Strafverfahren?
  • Dr. Thilo Weichert, Netzwerk Datenschutzexpertise, Kiel: Genetische Forensik und der Datenschutz
  • Dr. Susanne Schultz, Gen-ethisches Netzwerk e.V., Berlin/FfM: Erweiterung polizeilicher DNA-Analyse/ Datenspeicherung – Dimensionen zivilgesellschaftlichen Protestes

Kommentar: Annika Maleen Poschadel MLE., Universität Freiburg/International Max Planck Research School on Retaliation, Mediation and Punishment
Moderation: Prof. Dr. Torsten Heinemann, Universität Hamburg

11.10-11.20 Kaffeepause

11.20-13.10
Effiziente und ethisch-rechtlich fundierte Regulierungsmechanismen und Kontrollinstanzen: Vorschläge aus dem In- und Ausland

  • LKD Andreas Stenger, Kriminaltechnisches Institut, LKA Stuttgart: Prozessorientierte Qualitätssicherung im Bereich Spurensicherung und DNA-Analyse
  • Dr. Matthias Wienroth, Policy, Ethics & Life Sciences Research Centre (PEALS), Newcastle University: Aus Fehlern lernen – eine Lehre für Deutschland? Die institutionelle Regulierung der Forensik in Großbritannien
  • Dr. Victor Toom, Universität Frankfurt: Lessons from the Netherlands: some objective legal criteria to assess forensic DNA phenotyping

Kommentar: Prof. Dr. Veronika Lipphardt, University College, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Moderation: Dr. Fabian Staubach, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

13.10-14.00 Mittagspause

14.00-16.00
Roundtable + Abschlussdiskussion:

  • EKHK a.D. Manfred Klumpp, Bund Deutscher Kriminalbeamter, LV Baden-Württemberg
  • Prof. Dr. Torsten Heinemann, Universität Hamburg
  • Simon Letsche, Justiziar Fraktion GRÜNE im Landtag von Baden-Württemberg
  • Sonja Kastilan, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
  • Dr. Susanne Schultz, Gen-ethisches Netzwerk e.V.

Moderation: Prof. Dr. Anna Lipphardt, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

 

3. Fazit und Ausblick

Zwei intensive Tage liegen hinter uns und wir möchten uns bei allen Teilnehmenden für den konstruktiven Austausch bedanken! Ganz unabhängig davon, wie der Gesetzgebungsprozess weiterverläuft, können wir alle miteinander stolz darauf sein, einen neuen Diskursmodus gefunden zu haben, der bei allen Unterschieden der inhaltlichen Positionen und praktischen Bedarfe, stets sachorientiert und interessiert an den Sichtweisen der anderen war. Das ist keine Selbstverständlichkeit, zumal nach einer Debatte, die über Monate hinweg von einer stark polarisierenden Auseinandersetzung und einer drama­tisierenden und politisierenden Darstellung dieser überaus komplexen Sachverhalte dominiert war.

Das ist auch von den Medien nicht unbemerkt geblieben, was die differenzierte Berichterstattung deutlich macht, die das Symposium bisher nach sich gezogen hat. Eine erste Auswahl von Medienberichten finden Sie bereits in der Rubrik ,Pressespiegel‘ auf unserem Blog.

Aus aktuellen Anlass möchten wir Sie auf ein WDR-Interview von Peter Schneider hinweisen, dem Vorsitzenden der Gemeinsamen Spurenkommission, der leider nicht nach Freiburg kommen konnte, weil zur gleichen Zeit die Jahrestagung für Abstammungsforschung stattfand. Darin stellt er u.a. fest: „Bis zum „genetischen Phantombild“ ist es noch ein sehr, sehr weiter Weg. Tatsächlich gibt es aber in Amerika eine Firma, die behauptet, sie könnte das schon – und virtuelle Gesichtsbilder aufgrund von DNA-Spuren erstellt. Das sind dann eher ethnische Stereotypen, keine individuellen Gesichter. Das ist aus meiner Sicht eine Schande für die seriöse Wissenschaft.“ Genetisches Phantombild per DNA-Analyse?, WDR, 13.06.2017. Die Innenministerkonferenz hat nichtsdestotrotz einen Tag später, am 14.06., beschlossen, dass das „genetische Phantombild“, so Thomas de Maizère, kommen wird.

Diese Woche werden wir auch die Podcasts der Abschlussdiskussion und die Einzelbeiträge online stellen, die aufgezeichnet wurden. Geplant ist darüber hinaus eine zeitnahe Publikation der Vorträge, der Kommentare zu den Panels und der Beiträge zum Roundtable.

Allen Teilnehmenden noch einmal vielen Dank, dass Sie sich auf diesen Dialog eingelassen haben – wir freuen uns darauf, mit Ihnen im Gespräch zu bleiben!

Anna und Veronika Lipphardt

 

4. Videopodcasts und Poster

Auf dieser Seite finden Sie Vortragsmanuskripte und Videomitschnitte der auf dem Symposium gehaltenen Vorträge.

Begrüßung und thematische Einführung

Begrüßung, Prof. Dr. Bernd Kortmann, FRIAS

Thematische Einführung, Prof. Dr. Veronika Lipphardt, Chair in Science and Technology Studies, University College, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Fachliche Ausbildung und praxisübergreifende Kommunikation: Standards und Herausforderungen

Wahrscheinlichkeiten und Herkunftsangaben: Fehlerquellen und Schnittstellen der Interpretation, Prof. Dr. Peter Pfaffelhuber, Mathematische Stochastik, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Das überschätzte Beweismittel – die Rolle von DNA Gutachten in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, RA, FAStr Thomas Bliwier, Hamburg

Interpretation von DNA-Analysen: Standards in Ermittlungspraxis und polizeilicher Ausbildung, EKHK a.D. Manfred Klumpp, Bund Deutscher Kriminalbeamter, LV Baden-Württemberg (Videopodcast) (Vortragsmanuskript)

Posterpräsentation

Die öffentliche Debatte zu erweiterten DNA-Analysen, Dr. Nicholas Buchanan, Chair in Science and Technology Studies, University College, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Verfassungsrechtlich Positionen und Fragen des Datenschutzes

Erweiterte DNA-Analyse – Diskriminierungseffekte im Strafverfahren?, Prof. Dr. Carsten Momsen, Freie Universität Berlin (Vortragsfolien)

Genetische Forensik und der Datenschutz, Dr. Thilo Weichert, Netzwerk Datenschutzexpertise, Kiel (Videopodcast) (Vortragsmanuskript)

Erweiterung polizeilicher DNA-Analyse und Datenspeicherung – Dimensionen zivilgesellschaftlichen Protestes, Dr. Susanne Schultz, Gen-ethisches Netzwerk e.V.

Kommentar zum Panel ‚Verfassungsrechtliche Positionen und Fragen des Datenschutzes‘, Annika Maleen Poschadel MLE., Institut für Kriminologie und Wirtschaftsrecht, Universität Freiburg / International Max Planck Research School on Retaliation, Mediation and Punishment

Effiziente und ethisch-rechtlich fundierte Regulierungsmechanismen und Kontrollinstanzen: Vorschläge aus dem In- und Ausland

Prozessorientierte Qualitätssicherung im Bereich Spurensicherung und DNA-Analyse, Ltd. KD Andreas Stenger, Kriminaltechnisches Institut, LKA Stuttgart

Aus Fehlern lernen – eine Lehre für Deutschland? Die institutionelle Regulierung der Forensik in England und Wales, Dr. Matthias Wienroth, Policy, Ethics & Life Sciences Research Centre (PEALS), Newcastle University

A field of tensions: The suspect population and the non-suspected person of interest, Dr. Victor Toom, Institut für Soziologie, Universität Frankfurt a. M.

Abschluss
Roundtable und Abschlussdiskussion

Auf dem Podium:

  • Prof. Dr. Torsten Heinemann, Universität Hamburg
  • Sonja Kastilan, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
  • EKHK a.D. Manfred Klumpp, Bund Deutscher Kriminalbeamter, LV Baden-Württemberg
  • Dr. Susanne Schultz, Gen-ethisches Netzwerk e.V.

Moderation: Prof. Dr. Anna Lipphardt, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

 

5. Tagungsberichte

 

6. Förderer

Diese Veranstaltung wird finanziell unterstützt von:

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