Zu den offenen wissenschaftlichen Fragen in der Debatte um die Erweiterten DNA-Analysen gehört unter anderem die aussagekräftige Berechnung der zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeiten. Die im baden-württembergischen Gesetzesantrag (03.02.2017) aufgeführten Zahlen lauten:

Augenfarbe blau oder braun: 90 bis 95 Prozent,
Haarfarben rot, blond, braun oder schwarz: 75 bis 90 Prozent,
Hautfarbe: helle und dunkle Hauttypen: 98 Prozent,
biogeographische kontinentale Herkunft: 99,9 Prozent.

Die meisten PolitikerInnen, JournalistInnenen und Interessierten verstehen diese Zahlen vermutlich so:

„Jede aufgefundene DNA-Spur kann durch die DNA-Analyse mit der angegebenen Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Gruppe korrekt zugeordnet werden (z.B. 95% Wahrscheinlichkeit für braune Augenfarbe; oder 98% Wahrscheinlichkeit für die Unterscheidung zwischen heller und dunkler Haut; oder 99,9% für die Identifizierung von Asiaten).“

Erstaunlicherweise wird für die äußerlichen Merkmale (Augen-, Haar-, und Hautfarbe) diese Vorhersagbarkeit in den wenigsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen ermittelt (obwohl dies leicht möglich wäre). Meistens werden dort sogenannte AUC-Werte genannt, die man – wenn überhaupt – als Wahrscheinlichkeit ansehen kann, dass z.B. die Methode braune Augen vorhersagt, wenn der Spurleger in der Tat braune Augen hat.

In den wenigen Veröffentlichungen, in denen die beschriebene Vorhersagbarkeit ermittelt wurde, stellt man fest, dass diese stark davon abhängt, aus welcher Bevölkerung die Testpersonen kommen. Beispielsweise wurde die Vorhersagbarkeit von braunen Augen in Italien mit nur 67% bestimmt (bei einem AUC von 94%), also deutlich niedriger als im Gesetzestext, genannt.

Ähnlich verhält es sich bei der biogeographischen Herkunft. Während Personen, deren vier Großeltern vom gleichen Kontinent kommen, in der Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit korrekt klassifiziert werden, stellen Personen mit gemischtem genetischen Hintergrund die Methoden vor große Herausforderungen. Im Ermittlungsfall ist aber von den Vorfahren des Spurenlegers nichts bekannt, sodass die hohe Vorhersagbarkeit der biogeographischen Herkunft hinterfragt werden muss.

In unserem Vortrag beim BMJV haben wir die Problematik detailliert dargestellt. Mittlerweile haben wir den Sachverhalt mündlich mit Dr. Caliebe (Kiel) diskutieren können und entsprechend auf eine Publikation Caliebes reagiert. Mehr zu der längst noch nicht abgeschlossenen wissenschaftlichen Debatte um die Treffsicherheit der Technologie finden Sie unter Wissenschaftlicher Dialog.


Ausführlichere Informationen und die entsprechenden wissenschaftlichen Belege finden Sie auf dieser Seite in unseren Publikationen und Literatur von anderen ExpertInnen zum Thema.